Umprogrammierte Freßzellen sollen Lungenkrebs bekämpfen

13. Juli 2020

Lungenkrebs verläuft häufig tödlich. Ein wesentlicher Grund ist, dass der Tumor zumeist erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt wird. Dazu kommt, dass die Wirkung auch moderner Therapien wie der Immuntherapie nur begrenzt ist. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und der Justus-Liebig-Universität in Gießen haben nun gezeigt, dass eine besondere Gruppe von weißen Blutkörperchen, sogenannte Tumor-assoziierte Makrophagen, eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Metastasen spielen. Die dabei beteiligte molekulare Regulationskaskade könnte ein Ansatz für zukünftige therapeutische Ansätze bieten.

Kaum eine Tumorerkrankung ist für so viele Todesfälle verantwortlich wie Lungenkrebs. Dass die Erkrankung häufig tödlich verläuft – nur rund 14 Prozent der Patienten überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose – ist vor allem auf mangelnde Früherkennung und das Fehlen wirksamer Therapien in späteren Stadien zurückzuführen.

So spricht die derzeit verfügbare Immuntherapie nur bei einem Teil der Patienten an, oder sie verliert im Laufe der Behandlung zunehmend ihre Wirkung. Wissenschaftler aus der Abteilung „Entwicklung und Umbau der Lunge“ am Max-Planck-Institut für Herz-Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun zusammen mit Kollegen der Justus-Liebig-Universität in Gießen einen Ansatzpunkt für eine neue immuntherapeutische Behandlung von Lungenkrebs identifiziert.

Wie bei anderen Erkrankungen auch spielen weiße Blutkörperchen eine wichtige Rolle. Oft gelingt es den Zellen, die Entstehung eines Tumors zu verhindern. Die zellulären Hintergründe dieser Tumorabwehr zu untersuchen war das Ziel der Wissenschaftler: „Wir untersuchten das gesamte Spektrum der Zellen und Botenstoffe in der Umgebung von Tumoren, so umgebende Blutgefäße, Immunzellen, Fibroblasten, Signalmoleküle und die extrazelluläre Matrix. Dabei stellten wir fest, dass eine Gruppe von Makrophagen besonders häufig anzutreffen war“, so Rajkumar Savai, der das Projekt leitet. Diese als Tumor-assoziierte Makrophagen (TAMs) bezeichnete Fresszellen des Immunsystems tragen entscheidend zur Ausbildung Entzündungen im Umfeld von Tumoren bei. Die Forscher stellten fest, dass die Anwesenheit besonders vieler dieser Zellen mit einer schlechten Prognose bei den Patienten einhergeht. „Das Ergebnis überraschte uns zunächst, da TAMs eigentlich den Krebs hemmen sollen.Es zeigte sich aber, dass einige Varianten dieser Zellen tumorfördernd sind“, sagte Savai.

Im weiteren Verlauf der Studie fanden die Max-Planck-Forscher heraus, wie aus tumorhemmenden Makrophagen tumorfördernde werden. Schlüsselmolekül ist demnach das Protein ß-Catenin, ein in vielen Regulationsketten aktives Protein. „Dieses Molekül steuert die Expression bestimmter Gene auf der Ebene der Transkription“, so Savai. Ein Eingriff an dieser Stelle des Signalwegs könnte deshalb dabei helfen, dass weniger tumorhemmende zu tumorfördernden TAMs umprogammiert werden. „Auf diese Weise ergibt sich ein vielversprechender therapeutischer Ansatz. Mit der Entdeckung dieses molekularen Schalters machen wir einen wichtigen Schritt zu einem neuartigen Ansatz in der Präzisionsmedizin“, sagte Werner Seeger, Direktor am Max-Planck-Institut und der Medizinischen Klinik II der Justus-Liebig-Universität. Auf diese Weise könne man das tumorhemmende Verhalten von Makrophagen im Umfeld von Lungentumoren selektiv fördern und dabei Nebenwirkungen in anderen Organen verhindern.

MH, UNI GI

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